Soziale Projekte für Gambia e.V Rechtsanwältin Marika Bjick Ferdinand-Lassalle-Straße 18 04109 Leipzig Deutschland +49 341 213 19 79

Reiseberichte

Valentinstag in Dingirai


Eigentlich ist es doch schön, dass man früh noch nicht weiß, was so im Laufe des Tages auf einen zukommt, sonst würde man vielleicht gar nicht erst aufstehen und würde so viel verpassen! So saßen also auch wir – das sind Anne, Anja, Marika, Tina, Alex, Mo und unser Fahrer Kebbah - unbekümmert und frohen Mutes am Frühstückstisch im Fulladu-Camp in Basse, in der heißen Hoffnung darauf, am Abend die Elefanten im Nikolokoba-Nationalpark zu sehen (die Realisten unter uns freuten sich zumindest auf die Antilopen!).

Ein wenig Skepsis kam bei mir ja schon auf, als Kebbah beim morgendlichen Autoputz (erwähnte ich schon, dass die Gambier in punkto Autoputzen noch schlimmer sind als die Deutschen!?) einen sorgenvollen Blick auf den Keilriemen warf und wir dann auch noch mal in Basse an einer "Werkstatt" anhielten und zehn Leute ihren Kopf in unseren Motor gesteckt und an irgendwelchen Schrauben rumgedreht haben...

Mit deutscher Voraussicht hätte man wahrscheinlich einen Ersatzkeilriemen mitgenommen, aber so sind wir halt aufgebrochen... Was jetzt kommt, wird wahrscheinlich keinen verwundern: Wir waren ca. 25 km hinter der senegalesischen Grenze, als es einen lauten Knall gab und wir irgendwo mitten im senegalesischen Busch standen... Velingara, die nächste große (Grenz-) Stadt war 15 km weg und durch das letzte Dorf sind wir vor 5min gefahren...

Die Männer steckten also ihre Köpfe über den Motor und wir Mädels suchten auf dem Asphalt irgendwelche verloren gegangenen Schrauben (wovon wir auch Unmassen fanden, es waren nur leider nicht unsere dabei!). Es war natürlich der Keilriemen gerissen, aber wie sich bald feststellte, hätte uns auch ein neuer nicht sehr viel genutzt (bzw. hätte auch keiner Feinstrumpfhosen für die Alternativvariante dabei gehabt), da sich der gesamte Ventilator gelöst hat und dabei den Anlasser zerfetzt hat.
Ehrlich gesagt, hab ich das Ganze in dem Moment noch nicht mal so tragisch gesehen, dass Camp war schließlich keine Stunde Fahrzeit entfernt und ich hätte wahrscheinlich auch gar nicht so lange gewartet, um zurück zu fahren, aber auf einmal war Kebbah, unser Fahrer dann weg, um in Velingara einen Mechaniker zu holen -- Mama und ich haben es uns unter dem einzigen Baum in der Gegend gemütlich gemacht und ich hab mein Buch ausgelesen...

Alex und Mo haben es in der Zeit geschafft, einen der vorbeikommenden Trucks zu überreden, uns abzuschleppen. Zumindest bis in das letzte Dorf zurück (weiter hätte sich Mama mit nur 2 m Seil-Abstand zum LKW nicht getraut und wir wollten Kebbah ja nicht verfehlen). Dort haben wir also unter einem kleinen Strohdach am Straßenrand auf Kebbahs Rückkehr gewartet. Der kam dann auch bald zusammen mit einem Mann, der immerhin drei Schraubenschlüssel in der Hand hatte. Es haben also noch mal alle Männer ihren Kopf unter die Motorhaube gesteckt (deren Zahl mittlerweile durch ein paar "Dorfspezialisten" angewachsen war) und sind zu dem grandiosen Schluss gekommen, dass ein neuer Anlasser her muss... Kebbah und der
Mechaniker sind also mit dem nächsten Buschtaxi wieder nach Velingara gefahren, um diesen zu besorgen, und wir saßen wieder alleine unter unserem Strohdach.

Das Dorf, in dem wir saßen, heißt übrigens Dingirai, aber macht euch nicht die Mühe es auf einer Karte zu suchen, ihr werdet es sowieso nicht finden, es gab dort ja noch nicht mal Cola! (Umso glücklicher waren wir über unsere Wasservorräte, die sich gegen Ende des Tages aber auch immer mehr in Teewasser verwandelten und bedrohlich zur Neige gingen.) Es hat natürlich keine fünf Minuten gedauert und wir waren der Mittelpunkt aller Dorfkinder, wobei man dazu sagen muss, dass afrikanische Kinder ein anderes Verständnis von Langeweile haben. Sie wurden auch nach Stunden des Wartens nicht müde, uns einfach nur anzugucken!

Als sich rausstellte, dass unser Aufenthalt etwas länger dauern könnte, haben wir uns dann doch etwas näher bekannt gemacht, um nicht nur doof rum zu sitzen. Den ersten Schritt hatte Anja ja schon getan:
Als ziemlich begeisterte Fotografin konnte sie sowieso die Finger kaum still halten und als sie anfing, ein paar Fotos zu schießen, wurde sie damit gar nicht mehr fertig, weil natürlich alle ein Foto von sich haben wollten. Ich hab dann irgendwann angefangen mit den größeren Kindern im Sand lesen und buchstabieren zu üben, wobei ich total begeistert war, dass die größeren doch ziemlich gute französisch Kenntnisse hatten und echt keine schlechten Schüler sind (auch meine "Matheprüfung" haben sie mit Bravour bestanden!) Damit war dann auch die Sprachbarriere durchbrochen und im schönsten Kauderwelsch aus Französisch, Fulla, Deutsch und Englisch haben wir uns weiter verständigt. Es kam zu einem regelrechten Kulturaustausch, da wir angefangen haben, uns gegenseitig Lieder vorzusingen, wobei wir uns hauptsächlich auf deutsche Kinderlieder beschränkten und ihnen dann "Laurentia" beigebracht haben (ich gebe auch zu, dass wir aufgrund der immer noch heißen Nachmittagsstunde bei „Mittwoch“ aufgehört haben). Die Mädchen fingen an, uns was vorzutanzen -- Elvis Presley wäre bei dem Hüftschwung vor Neid erblasst!
Es war also ein sehr amüsanter Nachmittag...

Irgendwann während unseres Laurentia-Reigens sind übrigens auch Kebbah und der Mechaniker wieder aufgetaucht. Sie hatten auch einen Anlasser dabei, aber -- er passte nicht!!!! Beim Versuch ihn passend zu machen, hat der Mechaniker ihn dann auch gleich mal vollständig zerstört... Ich glaube, Alex war kurz davor, jemandem an die Gurgel zu springen.
Ende vom Lied war also, wir müssen doch nach Velingara abgeschleppt werden, um von dort per Taxi zurück ins Camp zu fahren. Es hielt auch bald ein Truck an, der bereit war, uns abzuschleppen. Nun stand ja aber noch die Frage, wie das zu bewerkstelligen sei.
Nachdem die Diskussion erst darum ging, die beiden Autos per Baumstamm zu verbinden – was Alex strikt ablehnte - ist Kebbah mit einem Fahrrad (Besitzer unbekannt) los, um Seile zu kaufen. Wir hatten schon Angst, dass er dafür nun wieder erst bis Velingara muss, aber zu unserem Glück gab es im Dorf einen Shop mit Seilen. Man sollte jetzt aber bitte nicht ein anständiges Abschleppseil vor Augen haben! Nein, es wurden mehrere dünne Schnüre verflochten, verknotet und mit Überresten anderer Schnüre verlängert, so dass wir am Ende ein 3 m langes Seil mit annehmbarere Dicke und unmöglichen Knoten hatten. - Mein mehrmaliges Angebot, die Seile nach bewährter Bergsteigermethode ordentlich zu verknoten, wurde bestimmt von den allwissenden Dorfmännern zurückgewiesen, genauso wie der Hinweis, dass das Seil reißen wird, wenn man es an einer scharfen Kante am Truck festmacht und auch die dazwischen geschobene Pappe wohl nicht viel helfen wird... Aber die Männerwelt wusste es natürlich besser!
Es kam dann also zum schweren Abschied von unseren neuen Freunden und auf ging die Fahrt ... bis hinter die nächste Kurve... Das Seil war am Truck gerissen! (besagte Kante!) Man hat gelernt und es woanders festgebunden. Trotzdem haben wir das Spiel noch zweimal wiederholt und das Seil wurde immer kürzer. Beim dritten Stopp wurde es schon langsam kritisch, als der Fahrer vom Truck auf einmal seine Ladefläche öffnet: Es lagen ganze zwei Säcke in dem riesigen Laderaum. Alex meinte in dem Moment spaßeshalber zu Mama "Pass auf, jetzt holt er Seile aus dem Sack raus" ... Was soll ich sagen? Er hatte tatsächlich einen ganzen Sack voller Seile und hat uns dann gnädigerweise (nachdem wir ein ganzes Dorf in Bewegung gesetzt haben, um Seile zu organisieren, und schon auf die Baumstammvariante verfallen sind) drei davon zur Verfügung gestellt, so dass wir dann wieder einen ordentlichen Abstand zum „Vordermann“ hatten und es auch wirklich bis nach Velingara schafften!
Das Auto wurde dort also erstmal an einer Tankstelle unter Aufsicht des Mechanikers zurückgelassen und wir haben uns mit unserem Gepäck zur Buschtaxistation aufgemacht (nachdem wir alle eine wunderbar kalte Coke gezischt hatten -- unser Wasservorrat ist letztendlich doch gefährlich zur Neige gegangen). Diese befand sich auf der anderen Seite der Stadt und als wir ankamen war es bereits duster.
Nach harter Preisdiskussion mit dem Taxifahrer sind wir also in dieses Blechding, was vielleicht mal von 20 Jahren ein Auto war, eingestiegen... Da kannten wir zum Glück noch nicht das ganze Ausmaß der Funktionsuntüchtigkeit des Autos: keine Innenverkleidung und Türen, die mit Riegeln verschlossen werden, sind ja noch ok; dass aber der Fahrer permanent seine Tür zuhalten muss und dass Auto nur mit
Anschieben startet, ist schon ´ne andere Sache. Als wir dann auch noch feststellten, dass es gar kein Licht besitzt und wir im Stockdunkeln über die Sandpiste geprescht sind, hätten wir wahrscheinlich gern das gleiche Geld noch mal bezahlt, um gleich wieder aussteigen zu können. Stattdessen sorgte Mo mit konsequentem Fahrer-Anbrüllen (der übrigens keine 15 Jahre alt war) dafür, dass er nur die Hälfte seines üblichen Speeds fuhr -- in dieser Situation prägte Mo auch den Spruch des Tages: "Er will uns töten in die Busch!"
Es ist mir ein Rätsel, wie der ständige Dachmitfahrer das täglich überlebt! Der war übrigens dafür da, aller zwei Kilometer Wasser über den Motor zu schütten, der (wie wir bei einem Blick an der Grenzstation feststellten) offen lag. Aus dem Fenster gehaltene Taschenlampen sorgten dann wenigstens für ein bisschen Licht und wir waren heilfroh, hinter der Grenze in ein gambisches Taxi umsteigen zu können, das uns bis zur Fähre in Basse fuhr.

Dort haben wir dann in einer Nussschale mit Loch im Boden über den Gambia-River übergesetzt (harmlos, im Vergleich zum Rest des Tages) und abends um neun saßen wir tatsächlich wieder alle heil im Camp -- gut gesättigt vom leckeren Essen des Camp-Kochs und - wahlweise Bier oder Cola in der Hand - mit der Aussicht auf ein paar schöne ruhige Tage in Basse --
Wer will denn schon nach Nikolokoba? Elefanten kann man ja schließlich auch im Zoo sehen!
..

Tina

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